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NOVEMBER im Netzwerk Klimajournalismus: False Balance im ORF, Konferenzen in Wien, Lissabon und Dubai und ein Press Briefing

Liebe Leser:innen,

für mich ist der Herbst die Zeit für Maroni, Lebkuchen, Waldspaziergänge – und für Klimakonferenzen. Ihr kennt das bestimmt. Im Oktober waren einige von euch in Lissabon, bald spreche ich in Wien über die Anfänge unseres Netzwerks und Ende November findet schließlich die Weltklimakonferenz in Dubai statt. Sie wird schon jetzt kontrovers diskutiert – nicht nur aufgrund des Austragungsortes –, und deshalb haben wir für den 21. November Jennie King zu einem Press Briefing eingeladen. Sie ist Expertin für Klima-Desinformation und ihre Einblicke sind die wohl perfekte Vorbereitung für alle, die aus oder über Dubai berichten; oder anderswo mit Fake News, Deep Fakes, Verzögerungsnarrativen in ihrer Klimaberichterstattung konfrontiert sind. Mehr dazu am Ende des Newsletters. Hier geht’s erstmal zum Programm in Wien:

Worüber wir reden

#1 Gegen Greenwashing und für frei zugängliche Daten

Mitte Oktober fand in Lissabon der News Impact Summit des EJC statt, diesmal zum Thema “Elevating Climate Journalism”. Die freie Journalistin Jule Zentek (u.a. klima.neutral) und ZiB-Klima Moderator Gerhard Maier (ORF) berichten für uns von der Konferenz.

FYI: Die Konferenz wurde von der Google News Initiative gesponsert. Wie es um Googles Klimabemühungen steht, erfährt ihr auf Seite 90: eher “moderat”.

➡️ Was nimmt Jule Zentek von der Konferenz mit? Klimaberichterstattung ist und wird ein Kampf um die Wahrheit bleiben und um das Aufdecken von Desinformation. In Lissabon haben die Kolleg:innen der AFP (Anm. französische Presseagentur) gezeigt, wie sich vermeintliche “Good News” über Klimaziele mancher Unternehmen in fünf Minuten als Greenwashing entlarven lassen. Es wird auch neue Fragetechniken in Interviews brauchen, im Sinne eines konstruktiven Klimajournalismus. Lisa Urlbauer vom Bonn Institute sagte in einem Panel: „Stellt nicht nur Fragen, die Menschen gegeneinander aufbringen, sondern stellt auch Fragen, die sie zusammenbringen.“ Und wir sind stärker, wenn wir uns zusammentun. Einige der Gewinner-Recherchen des Climate Journalism Awards sind in Teamarbeit entstanden. Ich wünsche mir, dass das künftig häufiger so ist. Meine Empfehlung: Das Gewinner-Projekt “The Sinking Cities” von Unbias the News und Hostwriter.

➡️ Was nimmt Gerhard Maier von der Konferenz mit? Immer mehr aktuelle Klimadaten aus dem All open-access sind mittlerweile im Netz zugänglich. Über das frei zugängliche Programm „Giovanni“ der NASA kann beispielsweise extremen Regenmengen nachgehen und sie bildlich darstellen. Weitere Daten findet ihr hier. Zum Tagungsthema “Greenwashing” blieb vorrangig die Botschaft hängen, dass Unternehmens- und Nachhaltigkeitsberichte oft auf komplexe Art versuchen, Emissionen zu verschleiern. Es müssen aber ALLE Emissionen in die Berichterstattung einfließen. Ein Tipp: Unternehmens-Emissionen sind in 3 SCOPES geteilt – und SCOPE 3 ist in den Berichten oft schwer bis gar nicht zu finden. In englischen Geschäfts- und Sustainability Reports ist das Wort „operational“ das Schlüsselwort (auf Deutsch „betriebliche“ Emissionen). Was darüber hinausgeht, bleibt oft unerwähnt. Man sollte sich außerdem immer fragen: Wie stark setzen die Strategien auf Carbon-Offsets durch CO2-Zertifikate (Pflanzen von Bäumen etc.) – und wie weit reichen die Ziele in die Zukunft? Klimaneutral bis 2050 heißt nur allzu oft: “Wir haben keinen Plan”.

💡 Dazu ein Lesetipp von uns: Die Journalistin und Autorin Heidi Blake erzählt im New Yorker Magazin die Geschichte hinter dem größten CO2-Zertifikate-Anbieter South Pole, der diese weiterhin verkauft, obwohl er weiß, dass sie wertlos sind. Dafür hat Blake mit zahlreichen Mitarbeitenden gesprochen und den Geschäftsführer monatelang begleitet. “I don’t know what you’re going to report on this, and I hope to God it’s not all of it, because I probably will go to jail”, sagt dieser.

Bild von der Konferenz in Lissabon zu Klimajournalismus. Zu sehen ist eine Frau, die auf dem Podium die Karte zu Regendaten der NASA erklärt. Das Foto wurde aus dem Publikum aufgenommen.
📷 Gerhard Maier/LinkedIn

#2 False Balance bei ORF NÖ?

Wir müssen wieder einmal über “False Balance” reden. Also wenn Medien die Meinung einer kleinen Gruppe (etwa Wissenschafter:innen, die den menschengemachten Klimawandel anzweifeln)  größer darstellen, als sie ist. So wirkt auch die Anmoderation der Nachrichtensendung “Niederösterreich Heute” des ORF NÖ. Dort wurde ein Beitrag über eine Fachtagung zu Umweltpsychologie mit diesen Worten anmoderiert: “Der Klimawandel – er polarisiert. Für manche die zentrale Frage unserer Zeit, für manche eine natürliche Entwicklung.”

Umweltpsychologe Thomas Brudermann von der Universität Graz kritisiert, dass dies “im gravierenden Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Tatsachen” steht. Er wurde für den Beitrag interviewt und hat sich mit seiner Kritik direkt an uns und an den ORF NÖ gewandt. Darin verweist er auf eine Studie, die zeigt: 99 Prozent aller Studien zum Klimawandel stimmen überein, dass dieser menschengemacht ist – und eben keine natürliche Entwicklung. Die gewählte Anmoderation spiele dadurch der Wissenschafts-Verleugnung und Verharmlosung des Klimawandels in die Karten spielen, so Brudermann.

ORF NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs kann die Kritik nicht nachvollziehen. In der Anmoderation wollte man lediglich aufzeigen, “inwiefern und mit welchen Extremen der Klimawandel in der Gesellschaft gelebt wird”, sagt Fuchs. Allerdings zweifeln oder leugnen sieben Prozent der Österreicher:innen am menschengemachten Klimawandel – ein deutlich geringerer Anteil, als die Anmoderation vermuten lässt.

Und sonst so? – Aktuelle Fakten, Events und Initiativen

📆 TERMINE
  • Am 02. November (18.00 Uhr, online) findet der monatliche Call des Netzwerk Klimajournalismus Deutschland statt. Diesmal geht es um den Rechtsruck in der Klimadebatte mit dem Soziologen Matthias Quent.
  • Am 07. November widmet die BOKU Wien ihren Nachhaltigkeitstag dem Thema “Demokratie in der Klimakrise – kollektive Wirksamkeit und aktive Verantwortung”.
  • Am 08. November (10.00 – 11.00 Uhr) veranstaltet das Institut für Höhere Studien (IHS) ein Webinar darüber, wie man die Daten aus dem European Social Survey richtig nutzt – unter anderem mit Erhebungen zum Klimawandel. Anmeldung bis 06.11. an mediarelations@ihs.ac.at.
  • Von 10. bis 11. November findet in Wien die Climate Arena Journalism Konferenz statt. Neben vielen international bekannten Klimajournos sind auch wir auf zwei Panels vertreten. Wir empfehlen allen Interessierten, am Freitag bei der öffentlichen und kostenlosen Abendveranstaltung vorbeizukommen.
  • Von 10. bis 12. November findet in Wien die 6. Lokale Klima-Jugendkonferenz (LCOY) statt, auf der Verena Mischitz und Sandra Walder aus unserem Netzwerk Input geben.
  • Am 13. November (ab 17.30 Uhr) diskutiert Netzwerk-Mitgründerin Katharina Kropshofer im Wiener Rathaus mit dem Soziologen Nikolaj Schultz, Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky, Lukas Oberndorfer von der AK Wien und der Initiatorin des Klimavolksbegehren Katharina Rogenhofer über positive Klimavisionen.
  • Am 16. November (15.00 – 17.30 Uhr, online) veranstaltet CMCC ein Webinar mit zahlreichen Expert:innen über Herausforderungen in der Klimakommunikation.
  • Termine zur Weltklimakonferenz findet ihr am Ende des Newsletters.
🛠️ RESSOURCEN
  • Das Klimalabor der Schweizer Republik hat monatelang Leser:innen befragt, was sie sich vom Klimajournalismus wünschen. Die acht wichtigsten Erkenntnisse könnt ihr hier nachlesen. Erste Produkte erscheinen Anfang November. Mitinitiatorin Theresa Leisgang kommt zur Konferenz nach Wien, falls ihr Fragen habt.
  • Die wichtigsten politischen Medienvertreter:innen Österreichs findet ihr in einem 69-seitigen PDF des Bundespressediensts.
👀 SCHON GESEHEN?
  • Im Standard könnt ihr euch durch die Geschichten von zehn Menschen klicken, die nicht warten wollen, bis das Globale Artenschutzabkommen die Naturvielfalt rettet – und selbst aktiv wurden.
💡 KONSTRUKTIVER JOURNALISMUS
📰 ÜBER KLIMAJOURNALISMUS
  • 62 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr Klimajournalismus im Fernsehen, zeigt eine Studie im Auftrag der Malisa Stiftung.
  • In einer Essay-Serie fragt das Oxford Climate Journalism Network, wie wir guten Klimajournalismus schaffen. Gerhard Maier von ZiB Klima schreibt darin über Verzögerungs-Narrative rund um E-Fuels.
  • Wie es um den Klimajournalismus im deutschsprachigen Raum steht und fünf Tipps, damit dieser besser wird, hat Netzwerk-Mitgründerin Katharina Kropshofer im Falter aufgeschrieben.
  • “Das größte Medienversagen überhaupt” – Klimapolitik-Experte Reinhard Steurer kritisiert im Gespräch mit Horizont (+) die heimischen Medien und deren Klimaberichterstattung.
💰 JOBS, STIPENDIEN UND PREISE
  • oekoreich sucht laufend Texte von freien Journos zu den Themenbereichen Klima, Umwelt, Natur, Tiere, Ernährung, Landwirtschaft, Textilien & Co. Bei Interesse bitte an office@oekoreich.com wenden.
  • Bis 9. November können die Journalist:innen des Jahres beim Branchenmagazin Journalist:in gewählt werden. Eine eigene Kategorie für Klima gibt es nicht.
  • Weitere Stipendien findet ihr bei Journalismfund Europe.

Kommt gut durch den Konferenzen-Herbst,
Lukas


Zahl des Monats: 28

… Tage dauert es noch bis zur 28. Weltklimakonferenz (COP 28) in Dubai, die von 30. November bis 12. Dezember stattfindet. Den Vorsitz führt der Präsident des staatlichen Ölkonzerns. “I wasn’t the obvious choice”, meint dieser im Interview mit dem Guardian. Wir erwarten eine kontroverse, aufgeheizte Konferenz, verstärkt durch den Krieg im Nahen Osten. Werden in Dubai endlich ein verbindliches Ausstiegsdatum aus fossilen Energien oder feste Ausbauziele für Erneuerbare beschlossen? Wie soll der Loss-and-Damage Fonds – ein wichtiger Verhandlungspunkt für den Globalen Süden – aussehen, der letztes Jahr beschlossen wurde? Was bringt der Global Stocktake, sind wir auf Klima-Zielkurs? (Spoiler: Nein, derzeit steuern wir auf 2,4 bis 2,6 Grad Erderhitzung zu, zeigt ein UN-Dokument).

⁉️ Und wie mit Klima-Desinformation umgehen? Dazu haben wir gemeinsam mit dem Netzwerk Klimajournalismus Deutschland und dem fjum Jennie King eingeladen, bei einem Online-Press Briefing Einblicke in ihre Arbeit zu liefern. Außerdem bekommt ihr einen kurzen Überblick, was euch dieses Jahr auf der COP erwarten wird und am Schluss einen Raum, um euch mit anderen Journalist:innen auszutauschen, die auch nach Dubai fahren werden. Details und Anmeldung:

🖥️ WEITERE WEBINARE ZUR COP 28
  • Am 09. November (18.00 Uhr, online) veranstaltet Covering Climate Now ein Press Briefing über CO2-Abscheidung (CDR).
  • Am 15. November (12.00 Uhr, online) gibt IPCC-Leitautorin Friederike Otto Tipps zur Berichterstattung über die Weltklimakonferenz COP 28.