Die Aktivistin und Autorin Luisa Neubauer kritisiert im Interview das einseitige Abarbeiten an der Klimabewegung, und dass Medien ohne Einordnung Klimapopulismus verbreiten.
Frau Neubauer, wie erleben Sie aktuell die Berichterstattung über den Klimawandel?
Ich war in den letzten fünf Jahren noch nie so enttäuscht von der medialen Klimadebatte, wie ich es jetzt gerade bin. Wir sehen zwar, dass es immer mehr qualitativen Klimajournalismus gibt und in jeder Zeitungsredaktion würde mir zumindest eine Person einfallen, die gut und reflektiert berichtet. Gleichzeitig erleben wir aber eine solche Schwemme an neuem Klimapopulismus – auch aus der Politik –, der medial weiterverbreitet wird. Da frage ich mich: Wo bleibt die journalistische Verantwortung, sich populistischen und teilweise einfach falschen Überschriften zu entziehen?
Sie kritisieren auch die Berichterstattung über die Klimabewegung. Was stört Sie daran?
Dieses einseitige Abarbeiten an der Klimabewegung, vor allem an der „Letzten Generation“. Das entlässt die Politik aus der Verantwortung, weil man die Organisation von Mehrheiten, die Lösung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt bei der Klimabewegung sucht, anstatt beim Kanzler. Junge Leute werden so entmutigt, sich für Klimaschutz einzusetzen, wenn sie sehen, was von ihrem Engagement in der Berichterstattung übrigbleibt.
In Österreich hat die „Letzte Generation“ Anfang August ihre Proteste beendet und sich aufgelöst. Sehen Sie darin eine Chance, dass sich die Berichterstattung über die Klimabewegung ändert?
Mich betrübt es, dass in Gesellschaft, Politik und Medien so viel Hoffnungslosigkeit für die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ verbreitet wurde, dass sie sich zur Aufgabe gezwungen sahen. Ich habe seitens der österreichischen Medienlandschaft im Zuge dessen keinen nennenswerten Reflexionsprozess über die eigene Rolle in der Klimakrise beobachtet. Daher würde es mich wundern, sollte sich dort jetzt etwas substanziell verändern.
Es gibt immer mehr Ressorts und Formate zu Klimathemen, trotzdem stockt die Debatte. Wo sollten Medien ansetzen, um angemessen zu berichten?
Maximale Kreativität. Warum klickt Fußball, wo 22 Männer auf dem Rasen kicken, die größte Geschichte der Menschheit aber nicht? Der Anspruch sollte sein, dass man sich hier immer wieder vornimmt, die interessantesten, kreativsten und innovativsten Herangehensweisen zu finden. Gerade, weil viele Menschen von eintöniger und uninspirierter Klimaberichterstattung abgeschreckt werden.
Braucht es dafür in jedem Medium ein eigenes Klima-Ressort?
Ich glaube, solange noch nicht normalisiert ist, Klima immer und überall mitzudenken, müssen Ressorts und einzelne Klimaformate gestärkt werden. In der Hoffnung, dass man sie irgendwann abschaffen kann.
Luisa Neubauer ist das bekannteste Gesicht der deutschen „Fridays for Future“-Bewegung. Die 28-Jährige ist studierte Geografin, gründete 2018 Fridays for Future in Deutschland mit und publizierte mehrere Bücher. Am 13. August ist ihr neuestes Buch – ein „Klima-Atlas“ mit 80 Karten für die Welt von morgen – im Rowohlt-Verlag erschienen. Co-Autoren sind der Datenjournalist Christian Endt (Zeit Online) und der Illustrator Ole Häntzschel.