Liebe Alle,
Normalerweise verzichtet dieser Newsletter auf einleitende Sätze. Aber derzeit ist leider nicht viel normal. Und wir wollen auch nicht so tun, als wäre es das. Wir möchten die schreckliche Situation in der Ukraine und den Angriffskrieg Russlands nicht unkommentiert lassen. Unsere Solidarität gilt der ukrainischen Bevölkerung, den mutigen Russ:innen, die trotz massiver Folgen dafür auf die Straßen gehen, und allen anderen Menschen, die wegen des Kriegs leiden.
In Zeiten wie diesen “sehnt man sich nach einem Sandhaufen, in den man den Kopf stecken kann”, schreibt Benedikt Narodoslawsky in seinem Newsletter treffend. Aber selbst in den schlimmsten Situationen gibt es kleine Lichtblicke.
Etwa ein Kollege des Netzwerk Klimajournalismus Deutschland, der an die ukrainische Grenze gefahren ist und Hilfe leistet. Einen namhafter FDP-Politiker, der erneuerbare Energien nun als “Freiheitsenergien” bezeichnet. Klimaaktivist:innen, die sich in Wien, Hamburg, und sogar in Russland für die Zukunft der Ukraine einsetzen.
Und wirklich gute Klimaberichterstattung – sei es zum aktuellen IPCC-Bericht oder zum Ausweg aus der Abhängigkeit vom (russischen) Gas.
Press Briefing: IPCC-Bericht der Arbeitsgruppe II
Am 23. Februar haben wir gemeinsam mit dem fjum (Forum für Journalismus und Medien Wien) ein Press Briefing zum aktuellen IPCC-Bericht veranstaltet. Input gaben Daniel Huppmann, Klimaforscher am IIASA, und Renate Christ, ehemaliges Mitglied des Weltklimarats. Die Aufzeichnung könnt ihr auf YouTube nachschauen – sie wird auch für den Bericht der Arbeitsgruppe III am 04. April relevant sein.
Die Kernpunkte:
- Der IPCC sei der “Goldstandard”, erklärt Renate Christ. Er betreibe keine eigene Forschung, sondern fasse zehntausende Studien der letzten Jahre zusammen. Am aktuellen Bericht haben 270 Wissenschaftler:innen aus über 60 Ländern mitgeschrieben. Die Aussagen werden nach Vertrauen (“confidence”) beurteilt. Sie werden mit jedem neuen Bericht schärfer und deutlicher.
- Zum Vorwurf, der IPCC sei konservativ, würde in manchen Fällen Konsens vor Schärfe stellen: Es müssen auch ältere Szenarien verwendet werden, sagt Daniel Huppmann. Sonst hätte man zwar nur die aktuellste Forschung, aber zu wenig Evidenz für vertrauensvolle Aussagen.
Stammtisch: Datenvisualisierung
Am 24. Februar drehte sich alles um das Thema Daten. Wie geht man mit ihnen um? Wie arbeitet man mit ihnen? Wie kann man visualisieren?
Dazu waren Florence Schulz vom Tagesspiegel Backround “Energie & Klima” sowie die Gründer des Klimadashboards, Adrian Hiss, Johannes Stangl und David Jablonski, zu Gast.
Die Kernpunkte:
- Die Tagesspiegel Backrounds sind vertiefende, oft wissenschaftliche Briefungs, die vor allem für Expert:en gedacht sind. “Energie & Klima” war der erste Backround. Mittlerweile gibt es sieben.
- “Das hat den Vorteil, dass man nicht das 1.5 Grad Ziel erklären muss”, sagt Schulz. Gleichzeitig sei gerade dadurch auch die Angst, dass man etwas Falsches schreiben könnte, groß.
- “Klimapolitik ist zu einem horizontalen Querschnittsthema geworden” stellt Schulz fest, als sie über die größer werdende Wahrnehmung der Klimakrise spricht.
- Das Klimadashboard macht Zahlen und Daten rund um die Klimakrise sichtbar. Der Fokus liegt derzeit auf Österreich. Gegründet wurde es auf Eigeninitiative von den Klimaaktivisten Adrian Hiss, Johannes Stangl und David Jablonski. Sie haben rund ein Jahr daran gearbeitet.
- Inspiriert wurde die Plattform vom Covid19-Dashboard, das die Einordnung der Zahlen rund um das Coronavirus ermöglichte.
- Ziel sei, “möglichst kompakt und trotzdem datenbasiert” die Klimakrise darzustellen – etwas, das es so in Österreich noch nicht wirklich gebe.
Seminar-Kooperation mit dem Kuratorium für Journalistenausbildung (KfJ)
Am 18. März Online (13.00 bis 17.30 Uhr) geht es mit unserem Workshop ‘Basics des Klimajournalismus’ weiter. Wir setzen uns mit den grundlegenden Herausforderungen und Strategien für gelungene Klimaberichterstattung auseinander. Wir freuen uns auf zahlreiche Teilnehmer:innen und Bewerbung in euren Redaktionen!
Der Workshop wird über das KfJ veranstaltet und findet in Kooperation mit klimaaktiv statt.
Top/Flop des Monats – Klimaberichterstattung, die aufgefallen ist
TOP
- Klartext Klima!: Zusammenhänge verstehen, loslegen und handeln
“Ich hab eine Buch geschrieben und es in der Druckerei und ich lebe noch.” Kollegin Sara Schurmann vom Netzwerk Klimajournalismus Deutschland ist mit ihrem Buch “Klartext Klima!” fertig und einige konnten es bereits vorab lesen, etwa die Mobilitätsexpertin Katja Diehl und Lea Dohm von den Psychologists4Future. Ab Montag ist das Buch im Brandstätter-Verlag erhältlich.
FLOP
- IPCC-Bericht: Kein Platz ganz oben?
Wie viel Platz dem IPCC-Bericht auf den Startseiten renommierter deutscher Medien gegeben wurde, hat sich Lorenz Matzat vom Netzwerk Klimajournalismus Dtl. angesehen. Das Ergebnis? Ernüchternd. Nur einen Tag nach Veröffentlichung des 3600-Seiters, um 07.30 Uhr, musste man bei Tagesschau, Zeit Online, Spiegel, FAZ, SZ und der taz schon recht weit nach unten scrollen, um einen Artikel zum Weltklimabericht zu finden.
Wir haben uns daraufhin angesehen, wie es in Österreich aussieht. Dafür haben wir einen Tag nach Veröffentlichung am 1. März (zwischen 9.00 Uhr und 15.00 Uhr) einen Blick auf die Seiten von ORF.at, Der Standard, Die Presse, Die Kleine Zeitung, Salzburger Nachrichten und Kurier geworfen. Das Ergebnis? Ernüchternd. Zu dem Zeitpunkt war ausgenommen vom Standard – und auch dort nur weit unten und recht klein -, nichts mehr vom IPCC-Bericht zu lesen.
Und sonst so? – Aktuelle Fakten, Events und Initiativen
- Über Klima sprechen in Zeiten des Krieges – ist das möglich? Und wie kann das gehen? Klimafakten.de hat dazu ein lesenswertes Q&A angelegt.
- Was die russische Invasion für Klima und Energie bedeutet, erfährst du in diesem Q&A von Carbon Brief.
- Die Österreichische Energieagentur bietet ab 17. März 2022 einen Crashkurs zu Energie und Klima an. Insgesamt gibt es sieben Sessions.
- Ein must-read zum neuen IPCC-Bericht ist wie immer die Zusammenfassung von Carbon Brief. Alternativ kann man sich auch die vierminütige Zusammenfassung von Verena Mischitz anschauen.
- Die Forschung von Wolfgang Blau, Co-Founder des Oxford Climate Journalism Networks, kann man sich mittlerweile in einem long-read ansehen.
- Die Psychologin Lea Dohm (Psychologists4Future) wirft im Podcast von Oliver Schnetzer einen kritischen Blick auf den Klimajournalismus und den Begriff “Klimaangst”.
- Der Standard startet mit einem neuen einen Klima-Podcast! Alle zwei Wochen begeben sich Philipp Pramer und Nora Laufer in“Edition Zukunft – Klimafragen” auf die Suche nach Antworten auf eine der größten Fragen der Menschheit: Wie meistern wir die Klimakrise?
Unser nächstes Treffen
.. werden wir zeitnah bekannt geben. Wenn ihr Wünsche oder Anregungen habt, schreibt uns gerne.
Bis dahin, passt auf euch auf und bleibt’s gesund!
Euer Netzwerk
Zahl des Monats: Die “toxischen” 10
Das Center for Center for Countering Digital Hate hat untersucht, wie und von wem Nachrichten mit Falschinformationen zur Klimakrise im englischsprachigen Raum auf Facebook verbreitet werden. Das Ergebnis: 69 Prozent der Falschinformationen auf Facebook zur Klimakrise sind auf nur zehn Seiten zurückzuführen sind. Unter diesen ”Toxic Ten” befinden sich etwa Breitbart, Newsmax, Daily Wire oder auch die Washington Times.